Das Projekt beschäftigt sich innerhalb des größeren Themas: Versorgung von Menschen mit „besonderem Bedarf an Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung“ (u.a. chronisch Kranke) mit der besonders sensiblen Phase des Übergangs Jugendlicher von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin, die als Transition bezeichnet wird.
Fast 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland leben mit einer chronischen Gesundheitsstörung, etwa 14 Prozent der unter 18-Jährigen haben nach einer aktuellen Studie einen besonderen Bedarf an Gesundheitsversorgung. Dieser kann aufgrund von relativ häufigen chronischen Krankheiten wie dem Typ 1 Diabetes mellitus oder Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises bestehen, aber auch aufgrund von Behinderungen, angeborenen Fehlbildungen oder sehr seltenen Krankheiten wie bestimmten Stoffwechselstörungen. Es ist eine wichtige Aufgabe des medizinischen Versorgungssystems, für diese Menschen eine adäquate Betreuung über die gesamte Lebensspanne zu gewährleisten.
Dies ist nicht nur eine unserem Gesundheitswesen als Ganzem zu Grunde liegende ethische Forderung, sondern auch unter ökonomischen Aspekten dringend geboten. Für verschiedene chronische Erkrankungen gibt es eindeutige Erkenntnisse, dass durch eine adäquate medizinische Betreuung, die oft durch psychosoziale Angebote ergänzt werden muss, kostenintensive Folgeschäden vermieden werden können.
Für chronisch kranke oder behinderte Jugendliche ist die Lebensphase des Übergangs in das Erwachsenenalter mit besonderen Aufgaben verbunden. Sie müssen Verantwortung für die lebenslange Behandlung ihrer Erkrankung oder Beeinträchtigungen übernehmen und sich dafür die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen. Die Eltern, die in der Regel über viele Jahre die Verantwortung für die medizinische und eventuell auch psychosoziale Versorgung übernommen haben, müssen umgekehrt lernen, diese Verantwortung an die Jugendlichen abzugeben. Dieser Prozess stellt für das gesamte familiäre Gefüge eine große Herausforderung dar.
Er ist besonders schwierig, wenn es sich um Patienten mit speziellem, sehr umfangreichem oder in der Erwachsenenmedizin kaum bekanntem Versorgungsbedarf handelt. Die Eltern dieser Patienten haben sich oft über die Jahre der Betreuung ihrer kranken Kinder eine besondere Kompetenz im Verständnis der Erkrankung und in der Organisation notwendiger medizinischer Leistungen und psychosozialer Hilfen erworben. Zu dem betreuenden kinder- und jugendmedizinischen Team besteht oft eine enge, fast familiäre Beziehung. Da mit dem Eintritt dieser Patienten ins Erwachsenenalter eine echte Selbstständigkeit nicht zu erwarten ist, behalten die Eltern hier also ihre Position als Verantwortliche und müssen in der Erwachsenenmedizin erneut verlässliche Ansprechpartner finden, die ausreichend Verständnis, Zeit und fachliche Expertise haben, die komplexe Betreuung der Patienten zu übernehmen und die „Expertenrolle“ der Eltern zu respektieren. Das ist nicht leicht. Die Gruppe der Jugendlichen mit komplexen Erkrankungen und Behinderungen fällt daher in der Transition zur Erwachsenenmedizin am häufigsten aus einer kontinuierlichen, ausreichend spezialisierten Betreuung heraus.
Für einige kinder- und jugendmedizinische Krankheitsbilder sind im erwachsenenmedizinischen Bereich noch keine zuverlässigen Versorgungsstrukturen vorhanden. Ein Grund dafür ist, dass bei einigen komplexen und seltenen Erkrankungen eine kurze Lebenserwartung dazu geführt hat, dass diese bisher fast ausschließlich in der Kinder und Jugendmedizin betreut wurden. Mit verbesserten therapeutischen Optionen werden viele dieser Kinder nun älter und erreichen das Erwachsenenalter, ohne dass in der Erwachsenenmedizin schon die entsprechende Fachkompetenz und Erfahrung vorliegt. Zudem haben neue Erkenntnisse über die Ätiologie und Pathogenese einiger kinder- und jugendmedizinischer Krankheitsbilder das therapeutische Vorgehen zum Teil erheblich verändert. Um der Behandlung dieser Patienten gerecht zu werden, müssen sich Erwachsenenmediziner auf für sie oft fremde und seltene Erkrankungen und Behandlungsstrategien einstellen, was bei einigen Krankheitsbildern einen erheblichen Fortbildungsbedarf nach sich zieht.
Aufgrund dieser vielfältigen Schwierigkeiten gelingt die Transition in die Erwachsenenmedizin vielen chronisch kranken Jugendlichen nicht oder nur sehr verzögert. Erhebungen deuten darauf hin, dass dies etwa 40 Prozent der Patienten betrifft. Diese Jugendlichen finden nicht den direkten Weg aus der kinder- und jugendmedizinischen in die entsprechend qualifizierte erwachsenenmedizinische Versorgung. Viele werden erst dann dort vorstellig, wenn für sie selbst spürbare – oft vermeidbare – Folgeschädigungen aufgetreten sind. Das kann nicht nur für den Einzelnen fatale gesundheitliche Folgen haben, sondern ist – wie schon angesprochen – auch ökonomisch, gesundheitspolitisch und gesellschaftlich von hoher Relevanz. Diese Problematik entspringt nicht so sehr einer nicht ausreichend entwickelten Spezialbetreuung in der Erwachsenmedizin, sondern hängt vor allem mit den Problemen der Jugendlichen und ihrer Familien zusammen, sich in eine andere Betreuungsstruktur und –kultur zu begeben. Aus diesem Problemkomplex ergibt sich ein besonderer, über die übliche medizinische Versorgung hinausgehender Betreuungsbedarf für den Zeitraum der Transition. Diese Problematik und mögliche Wege zu ihrer Lösung sind seit vielen Jahren weltweit Gegenstand der Diskussion. Das Berliner TransitionsProgramm bietet dafür einen Lösungsansatz.